Franziska Schmidt . Berlin - Kunst Foto Historikerin, Germanistin
TraumWelten
In Between. Traumwelten. Vom Träumen und Leben. ed. by Matthias Rataiczyk and Franziska Schmidt for Kunstverein Talstrasse, Halle (Saale), 2018
Cover Image: Grete Stern, Illusionslose Liebe, aus: Los Sueños (Träume), 1950
© Kunstverein Talstrasse © The Grete Stern Foundation. Courtesy of Galería Jorge Mara – La Ruche, Buenos Aires
In Between. Traumwelten. Vom Träumen und Leben. ed. by Matthias Rataiczyk and Franziska Schmidt for Kunstverein Talstrasse, Halle (Saale), 2018, p.9–13
VON UNERWARTETEN BEGEGNUNGEN
Was sind eigentlich Traumwelten? Wunschwelten, Sehnsuchtsorte, alternative Wirklichkeiten, Fantasien oder auch Utopien? Traumwelten bilden sich letztendlich aus unseren Erinnerungen, Wünschen, Geheimnissen, Ängsten aber auch Hoffnungen und können Fragmente des Unbewussten und Spiegel unserer Intuitionen, Instinkte und Emotionen sein. Traumwelten sind Auseinandersetzungen mit einer rätselvollen eigenen und fremden Erlebniswelt. Sie bedeuten unerwartete Begegnungen, die neue Zusammenhänge herstellen und Möglichkeiten eröffnen wollen. Inhaltlich kann man sich dem Thema aus verschiedenen Richtungen annähern. Zahlreiche Entdeckungen, Episoden, Gespräche oder Anregungen haben letztendlich zur Ausformung dieser Ausstellung geführt. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Fotografie, da sie als Medium unsere Vorstellungen realistisch und direkt wiederzugeben scheint. Vermeintlich! Wie also haben Fotografen auf die Erlebniswelt von Träumen reagiert? Herauskristallisiert haben sich Gedankenräume unterschiedlicher Couleur: So sind es nicht nur die imaginären fotografischen Traumbilder, sondern auch sogenannte Traumwirklichkeiten, das heißt die alltäglichen Verwunderungen im Leben, die hier zu sehen sind, wie auch Fotoarbeiten, die sich vermeintlichen Traumorten, gebauten Traumräumen oder selbst konstruierten Traumwelten widmen. Nicht zu vergessen die Träumenden und Schlafenden selbst. Zu guter Letzt begegnen wir künstlerischen Positionen abseits der Fotografie und lesen Traumnotate, vernehmen Klang-Gebilde, sehen Traumsequenzen oder tauchen in grafische und malerische Werke ein.
TraumBilder
„Was in dem Schlaf für Träume kommen mögen...“ (William Shakespeare)
Die mit Entstehungsdatum um 1950 zeitlich früheste Arbeit von Traumdarstellungen in dieser Auswahl stammt von der Bauhauskünstlerin Grete Stern. 1934 aus Deutschland nach Buenos Aires geflohen, erhielt sie dort 1948 von der Frauenzeitschrift „Idilio“ den Auftrag, eine psychoanalytische Traumdeutungskolumne auf Basis der von Leserinnen eingesandten Träume zu illustrieren. Für die Serie Los Sueños (1948-1952) wählte Stern die Form der Fotomontage und arrangierte Bildmaterial aus dem privaten Archiv mit eigens erstellten Aufnahmen von Freunden und Familienmitgliedern neu. Entstanden sind bizarre Bildkompositionen, die surrealistischen Bühnenstücken gleichen. In ironisch-kritischer Weise hat Stern darin die Lebenswirklichkeit der Frauen in Argentinien offengelegt. Floris Neusüss, Vertreter der generativen Fotografie und des Fotogrammes, untersuchte Ende der 1950er Jahre die Möglichkeiten des Mediums Fotografie, mehr zu zeigen als das bloße Abbild der Realität. Für Neusüss war die Fotografie künstlerisches Ausdrucksmittel und das Bild Projektion einer Vision. So kombinierte er mittels Belichtungs- und Negativmontagen Erzählbilder sowie Fantastisches. Als Traumbilder bezeichnete Neusüss diese Art von Fotografie, gemeint weniger im konkreten, sondern vielmehr im übertragenen Sinne – Strukturen der Natur und Vegetation verweben und überlagern sich mit geisterhaft erscheinenden Menschengestalten. In kleinen Spukgeschichten inszenierte er sich selbst und mit Freunden auf oder vor einem Schrank. Diese Bilder stellen das „Erscheinungshafte gegen die Faktizität der Fotografie, die Flüchtigkeit eines Traums gegen das Dokumentarische...“ Konkretes Traumerleben ganz anderer Art begegnen wir in der Serie Dream Collector des New Yorker Fotografen Arthur Tress. Mit früher Begeisterung für die Surrealisten und einem Hang zu melancholischen und fantastischen Bildwelten, begann Tress Ende der 1960er Jahre mit Kindern ihre eigenen, zumeist düsteren Träume nachzustellen: Träume von Platzangst, Schlafzimmerfenstermonstern, Turmstürze, Lebendgräber oder auch nur reine Fiktion. Selbst erstellte Kostümarrangements, inszenierte Details oder sorgfältig ausgewählte Orte wie ein Wald, ein alter Autofriedhof oder ein verlassenes Haus verleihen den Aufnahmen die dafür notwendige unheimliche Stimmung. Die so entstandenen beängstigend-verstörenden Traumsequenzen in einem sehr realistischen und fast schon dokumentarischen Stil waren für die damalige Zeit mehr als ungewöhnlich und neu und wurden wegweisend für ganze Fotografengenerationen sowie die inszenierte Fotografie.
TraumWirklichkeiten
„Der tagsüber Träumerische ist ersichtlich ein anderer als der Träumer in der Nacht“ (Ernst Bloch)
Es ist das Leben selbst, dass Regie führt und die Szenen erschafft. So verstand es der tschechische Fotografe Viktor Kolář, der seit den 1960er Jahren mit wachem Blick die entscheidenden Momente traumähnlicher Realitäten des Alltags in seiner Heimat- und einst mächtigen Stahlindustriestadt Ostrava einzufangen sucht. Auf verzauberte und grotesk wirkende Weise verdichten sich in seinen Bildern das Zusammenspiel von Leben und Imagination, dies mit Witz und Schwermut gepaart. Die Resultate sind hintergründige Beschreibungen eines vom Strukturwandel geprägten und zerfurchten Ortes, in welchem die Menschen jedoch nach wie vor zu träumen scheinen, ganz so, als seien sie Bestandteil einer gemeinsamen Fiktion, in der man sich selbst immer wieder neu erfinden kann. Die Bilderwelten von Sascha Weidner hingegen entspringen dem Lebensgefühl der Jugend und erzählen von den Wahrnehmungen, Sehnsüchten und Traumbildern jener Generationen. Es geht um ureigene Seinszusammenhänge und Gegensätze von Leben und Tod, Schönheit und Vergänglichkeit sowie um Fragen nach Herkunft, Identität und Selbstbestimmung. Weidner war, wie er es selbst über sich sagte, ein „romantisch bewegter Reisender“ und verstand die Fotografie als künstlerisches Ausdrucksmittel, um reale Welten mit den eigenen inneren Bildern zu verweben. Seine Aufnahmen, in den Jahren um 2005-2015 entstanden, zeigen reale Orte und sind doch zugleich seltsam losgelöst, wie Traumsequenzen oder verschüttete Bilder aus einer rätselhaften Gegenwart. Erfahrungen bzw. Erinnerung der Kindheit waren für Helga Paris bestimmendes Element der beiden Serien Friedrichshain und Erinnerungen an Z. (1993/1994). Bekannt geworden für ihre atmosphärischen Stadtbilder von Halle (Saale), in denen alles noch nach „Nachkrieg riecht“ oder für ihre Portraitserien in der direkten Begegnung mit zum Beispiel Berliner Jugendlichen, ähneln diese späten Arbeiten in Bildsprache und Darstellungsweise der Unschärfe an fotografische Essays, Filmsequenzen oder albtraumhaften Bruchstücken. In ihnen schlägt sich die Erfahrung der Jahre um 1945 nieder und jenes diffuse Gefühl einer unklaren, die Ängste der Kindheit heraufbeschwörenden Gegenwart oder das „was von dem Kind in der Frau noch übrig blieb“. Traumlichtern gleich, berichten die Bilder von Gefühlen, Unausgesprochenem oder auch Bedrohlichem. Als große Bildpoetin der Fotografie galt Sibylle Bergemann, die nicht nur mit ihren Mode- und Reportageaufnahmen, zuerst für Sibylle später unter anderem auch für GEO, Bilder von unbestechlichem Zauber geschaffen hat. Ebenso ihre Sicht auf die Welt, Aufnahmen zwischen Traum und gesellschaftlicher Wirklichkeit, machten sie zu einer einzigartigen Künstlerin. Bergemann Fotos sind wie verwunschene Bildstücke, in denen nichts erklärt werden soll. Das Ergebnis sind „phantastische Selbstbehauptungen, Visionen einer verwunderten Wirklichkeit.“
TraumWelten
„Die Welt wird Traum, der Traum wird Welt“ (Novalis)
Künstlerische Bildschöpfungen von surrealen Landschaftswelten hat der US-amerikanische Fotograf Jerry Uelsmann seit Ende der 1950er Jahre geschaffen. Seine Arbeiten verstehen sich als unikate Bildversatzstücke, die auf der Grundlage eigens erstellter Negative mit Hilfe von Mehrfachbelichtungen entstanden sind. An seinen surrealen Weltsichten experimentierte er in der Dunkelkammer, seinem „visuellen Forschungslabor“, wie er es nennt, mit bis zu sieben Negativen gleichzeitig. Die so entstandenen Bildartefakte überzeugen in der perfekten und technisch brillanten Zusammensetzung und sprengen die traditionellen Vorstellungen und technischen Grenzen der Fotografie. Uelsmann schuf packende Neuschöpfungen ganz eigener Art, Bildwelten, die einer Realität zu entsprechen mögen und die Wirklichkeit doch anders erscheinen lassen. Eine wundersame, psychedelische Fantasiewelt, gebaut aus Müll, Schrott und gefundenem Material hat der Filmemacher Wenzel Storch für seine „Die Reise ins Glück“ kreiert und über einen Zeitraum von zehn Jahren in mehr als zwanzig Schloß- und Schiffkullissen in einer Lagerhalle am Hildesheimer Hafen arrangiert. „Fantastische Räume für fantastische Gestalten in fantastischen Geschichten.“ Ein Ort wie geschaffen für Sibylle Bergemann, die in diesen Räumen ihr eigenes Märchen in fotografischen Bildern zu erfinden wußte – unwirkliche Szenen von einer Schönen im Gitterbett oder von einem Bären auf einem Podest. Die Serie Traumfabrik (2000) erzählt den Traum von der „Reise ins Glück“ auf zauberhafte Weise neu. Sehnsuchtsvolle geheime Blicke aus einer anderen Lebenswelt lieferte der tschechische Fotograf Miroslav Tichy. Einst Maler und Zeichner entstand ab Anfang der 1960er Jahre und lange Zeit unentdeckt geblieben sein fotografisches Werk, sechs Tage die Woche, an die 100 Filme am Tag. Im Verborgenen folgte Tichy mit selbstgebauten Kameras den Frauen seiner Heimatstadt Kyjov auf den Straßen, in die Parks, ins Schwimmbad oder Geschäft. Technisch unperfekt, verschwommen, unterbelichtet, das Papier fleckig und verschmutzt lassen seine Bilder die Frauen auratisch fern und unerreichbar erscheinen. Es bleibt zu vermuten, dass ihn die Erinnerung an die eine unerfüllt gebliebene Liebe all die Jahre umgetrieben hat. Mit Traumbildern von vermeintlichen Traumurlaubsorten konfrontiert uns Sven Johne in seiner Arbeit Traumhotels von 2012 – Hotelzimmer auf der griechischen Insel Lampedusa, wie aus einem Urlaubskatalog, laden scheinbar zum Verweilen auf die Ferieninsel ein. Doch Fotobilder können trügen, wie der Text zur Arbeit offenlegt. In der Zusammenstellung von Aufnahmen und Text verbindet Johne den Pauschalurlaub mit Flucht, die Erholung mit Tod und hinterfragt somit die Authentizität von Bildern und das (Un)Vermögen subjektiver Wahrnehmungen.
TraumPersonen
„Die Wachen haben eine einzig gemeinsame Welt, im Schlaf wendet sich jeder der eigenen zu.“ (Heraklit)
Von dem Phänomen des Ruhens bzw. dem der Zeit handelt Matthias Langers Arbeit "Und das Gegenteil von wach" (2006). Über die Dauer einer ganzen Nacht lichtet eine unmittelbar über dem Bett angebrachte Kamera Personen im Schlaf ab. Was nach einer solchen Aktion am Morgen auf den Film gebannt zu sehen ist, sind aber weniger die Schlafenden selbst – diese scheinen ganz und gar aufgelöst unsichtbar. Vielmehr geriert die Fotografie hier zum Aufzeichnungssystem unmerklicher Vorgänge, den ständigen Umwälzungen einer Nacht. Lange Belichtung und das Verwischen von Gegenständlichkeiten erzeugen so neue Zeichen und Spuren visueller Schichten. Langers Bilder unterspülen die Sichtbarkeit der alltäglichen Welt durch die Speicherung der Zeit im Bild. Er zeigt die Dauer im Wechsel auf, die das Leben in ständiger dynamischer Bewegung hält. Für Wenke Seemann ist Schlaf ein unbewusster Zustand, ein unsichtbarer Ort, in dem nicht nur die Schlafenden selbst, sondern auch die Räume und Gegenstände darin ein Eigenleben entwickeln können. Ihre Arbeit and the moon is a blind eye (2011) erzählt von diesen unbeobachteten Momenten höchster Intimität. Es waren nicht nur Freunde, Bekannte, Verwandte sondern auch Fremde, die Seemann für diese Form der nächtlichen Begegnung angesprochen hat. Seltsam berühren diese Aufnahmen durch einen Zauber, der den Bildern innewohnt. Im Schlaf begegnen wir uns selbst, heißt es. Seemanns Bilder haben dies in einem übertragenen Sinne gleich zweimal vermocht. Wie schlafen eigentlich Deutsche? Für seine Serie hat Jens Klein sich gefundener Aufnahmen oder denen aus eigenen Familienalben angenommen und diese zu einer Serie von 30 Arbeiten zusammengefügt. Schlafende in jeder Situation aus einem Zeitraum von 60 Jahren (1932-1992) erzählen von den Spuren, die Geschichte hinterlassen kann, von den äußeren aber auch inneren Seinszuständen durch den Lauf der Zeit – Wehrmachtssoldaten im Wald, ein Junge von Reisekoffern umringt, ein Mann, der ausgestreckt auf einer Wiese liegt, Frauen, Männern, Kinder jeden Alters zu Hause und unterwegs. Den Regungen unseres Bewusstsein im Schlaf geht Sleepers (2001), die erste Videoarbeit des iranischen Filmemachers Abbas Kiarostami, nach. Gezeigt wird ein auf den Boden projiziertes, schlafendes Paar. Die Aufnahme, die auf einem Soundtrack von Straßengeräuschen basiert, die für uns aber nicht zu hören sind, ruft bestimmte Ereignisse in den Träumen des Paares hervor. Was wir sehen sind minimale Bewegungen, ein plötzliches Drehen im Bett. Zugleich kommen wir in Anbetracht der lebensgroßen Installation in die Illusion, ungewollt unmittelbarer Zeuge dieser Szenerie zu sein. Es entsteht eine Spannung und Atmosphäre, die dazu anhält zu verharren oder aber sich leise davon zu schleichen. Für Kiarostami vermag die Kunst triviale Details des Lebens neu zu definieren und uns dazu anregen, diese anders wahrzunehmen.
TraumNotate
„Träume gibt es nur in der Erzählung“ (Ernst Peter Fischer)
Menschliche Bewußtseinstätigkeit im Schlaf untersuchen Sprachblätter von Carlfriedrich Claus, Lautprozesse, mit denen er in Vor-Bewusstes, das heißt Noch-Nicht-Bewusstes zwischen Schlaf und Wachzustand vorzudringen sucht. Im Spannungsfeld von Philosophie, Bildender Kunst, Linguistik und akustischer Literatur hat Claus sowohl visuell als auch klanglich die Dimensionen unserer Wahrnehmungen zu erfassen und die unterschiedlichsten Zusammenhängen darin auszuloten gewusst. Seiner 1981 auf Schallplatte erschienen Lautarbeit Bewußtseinstätigkeit im Schlaf hat er drei Jahre später eine Auswahl von Kombinationdsdrucken filigraner und dichter Schwingungslinien hinzugefügt. Der ostdeutsche Fotograf Christian Borchert, der statt Bildaufnahmen Notate von seinen Träumen erstellte, war ein unbestechlicher Chronist seiner Zeit. „Eine Mitteilung zu machen“, gerecht, genau und ohne Übertreibung zu sein und die geschichtlichen Zusammenhänge erkennbar werden lassen, waren für ihn ein wichtiger Anspruch in seinem Tun. Borcherts Aufnahmen sind präzise Gegenwartsschilderungen und verstehen sich als „Fotografien gegen das Entschwinden". Den Erfahrungen der Gegenwart, mit Wünschen und Hoffnungen vermengt, begegnen wir auch in den Aufzeichnungen seiner Träume, die Borchert auf Karteikarten festgehalten hat; weit über 50 Stück aus den Jahren 1976 bis 1999 haben sich erhalten. Von einem Reisepaß mit Stempel: „Unbegrenzt gültig. Für alle Staaten. Aber leider nur für einen Tag“ – berichtete Borchert 1983 Geträumtes an einen Freund – „Für Rio hatte ich mich entschieden wegen der ‚Harmonie’ sicherlich.“ Auf eine besondere Reise in innere Vorstellungswelten nimmt uns Hanna Schygulla mit. In Traumprotokollen (1976/2005-2007), neun sehr persönlichen, teilweise entrückten Filmarbeiten, hat sich Schygulla mit ihrer ganz eigenen Traumwelt auseinander gesetzt: Kreativität, Ruhm und Erinnerungen, Fragen zur Identität und dem Empfinden als Frau und Künstlerin. Zugleich sind es auch reale Begebenheiten geschichtlicher Zusammenhänge wie Verlust, Tod und Versöhnung, die Schygulla in ihrer Arbeit reflektiert hat. Frauenträume können das Leben verändern! Der Super-8-Film Frauenträume (1986) von Gabriele Stötzer und weiteren Frauen setzt sich mit einer Welt archaischer und weiblicher Vorstellungen und Bildern auseinander, die in individuellen Wünschen, Fantasien oder konkreten Ängsten ihren Ausdruck fanden. Es ist der erste Film der Künstlerinnengruppe Erfurt, die sich 1984 mit gemeinsamen Fotoaktionen und Untergrundausstellungen zusammengefunden und zu ihrem Prinzip erhoben hat, das eigene Leben in Filmen und Performances zum Gegenstand von Kunst zu machen. Stötzer gehörte in Erfurt zu den widerständigen Künstlerinnen, deren Schaffen „Projektionsfläche wie auch Ort politischer und sozialer Einschreibungen“ bot. So lassen sich Frauenträume auch als Versuch der Unabhängigkeit und Selbstbehauptung lesen, als Frau und als Mensch.
Und noch zwei weitere Arbeiten gehören den unerwarteten Begegnungen an. Flight of Memory (1992) des in Berlin lebenden brasilianischen Künstlers Pedro Moreira ist Teil einer gesamten Arbeitsreihe mit dem Bett als zentrales Motiv, die sich auf Basis eines Traums entwickelt hat. Inmitten fensterloser Räume, Trümmerlandschaften oder Panoramen einer Stadt schälen sich weiße Umrisse von Bettkästen wie Gräber hervor. Im Verschmelzen vom eigenen Selbst mit Zeit und Raum beginnen Seinszustände ineinander zu verweben und die Fragmente darin sich gleichzeitig aufzulösen. Ob Malerei, Assemblage, Fotografie, Skulptur oder Installation, die Technik bleibt untergeordnet, trägt aber zur Komplexität der entstehenden Arbeiten bei, die sich im Spannungsverhältnis von Individuum und Gesellschaft bewegen. Gemälde, die in der Fotografie verankert sind, hat hingegen der schwedische Künstler Peter Ojstersek vollbracht. Mit Off-Line (2011) sehen wir ein Beispiel aus seiner Bildreihe mit Schlafenden selbst, im 1:1 Verhältnis nach fotografischen Vorlagen umgesetzt. Eine oberhalb des Bildes angebrachte Neonröhre bringt die Bildtöne auf Grundlage eines vorprogrammierten Lichtprogramms zum „schwingen“. Im Zusammenspiel von Farbe und dargestellter Personen erwacht so die Vorstellung von einem lebendigen Leuchtorganismus, der auf Basis digitaler Histogramme von Photoshop die Bildinformationen in eine Art höheres „(Schlaf-Bild) Bewusstsein“ bringt.
In Traumwelten bewegen wir uns nicht nur im Schlaf, sondern also auch am Tag. Und im Zusammenspiel der unvermittelten, überraschenden Ereignisse, Zufälle und Begebenheiten des Lebens vermag sich die Sicht auf das eigene Dasein oder Handeln verändern. In diesem Sinne gehören Traumwelten mit ihren unerwarteten Begegnungen als Erweiterung des Biographischen zu unserem Leben dazu.
(Franziska Schmidt, 2018)
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